Wenn Projektkredite die Bilanz blockieren – und wie Rotation zum Gamechanger wird

In vielen Banken ist aktuell Stillstand eingekehrt. Nicht, weil es keine Nachfrage nach neuen Krediten gäbe – sondern weil die Altlasten aus den vergangenen Jahren die Bilanzen blockieren. Projektentwicklungen, die in der Zwischenzeit ins Stocken geraten sind, belasten das Eigenkapital, binden Ressourcen und erzeugen Frust in den Marktabteilungen. Neue Geschäfte? Fehlanzeige. Dabei gäbe es eine Lösung, die auf mehreren Ebenen sinnvoll ist: die Rotation von Projektkrediten.

Die aufsichtsrechtliche Falle: Warum manche Kredite nicht mehr „wegfinanzierbar“ sind

Wenn ein Kredit als problematisch gilt – also mit erhöhter Ausfallwahrscheinlichkeit („Probability of Default“, kurz PD) oder sogar bereits als notleidend („Non-Performing Loan“, NPL) eingestuft wurde – steigen die regulatorischen Anforderungen drastisch. Banken müssen dann deutlich mehr Eigenkapital vorhalten, um die Risiken abzudecken.

Die rechtliche Grundlage dafür findet sich in der Capital Requirements Regulation (CRR), einer EU-Verordnung, die das Risiko- und Eigenkapitalregime für Banken festlegt. Konkret schreibt Artikel 127 CRR bei ausgefallenen Forderungen Risikogewichte von 100 % bis 150 % vor. Das bedeutet: Für jeden Euro Kredit werden bis zu 1,5 Euro an risikogewichteten Aktiva (Risk-Weighted Assets, RWA) angesetzt – die wiederum mit einer Mindest-Eigenkapitalquote (CET1) von derzeit 8 % zu unterlegen sind. In Summe ergibt sich eine deutlich höhere Eigenkapitalbindung für das betroffene Engagement.

Wer als Bank das IRB-Modell (Internal Ratings Based) verwendet, muss eigene Parameter wie PD, LGD (Loss Given Default) oder die Laufzeit des Kredits modellieren. Das führt zu einer differenzierteren, aber auch volatileren Risikogewichtung. Je nach Projektphase, Sicherheitenstruktur und Risikoparametern können dabei effektive Risikogewichte von 150 % bis 250 % entstehen – insbesondere bei projektbezogenen Krediten in frühen Phasen oder bei stockender Abwicklung.

Zusätzlich sind durch die Reformen von Basel III final (CRR III) sogenannte Output Floors eingeführt worden: Selbst wenn eine IRB-Bank aus ihren Modellen ein niedriges Risikogewicht ableiten würde, darf dieses künftig nicht unter 72,5 % des Standardansatzes (KSA – Kreditrisikostandardansatz) liegen. Auch das erhöht die Eigenkapitalanforderung und reduziert die Vorteile des internen Modells – vor allem bei riskanteren Spezialkrediten wie Projektentwicklungen.

Die zweite Ebene: Aufsichtliche Zuschläge auf Institutsebene

Neben der CRR gibt es individuelle Kapitalanforderungen, die von den nationalen Aufsichtsbehörden – in Österreich etwa der FMA, in Deutschland der BaFin – im Rahmen des SREP (Supervisory Review and Evaluation Process) festgelegt werden.

Dabei sind zwei Zuschläge besonders relevant:

  • Pillar 2 Requirement (P2R): Ein verbindlicher Eigenkapitalzuschlag für Risiken, die im Standardansatz nicht oder nicht ausreichend erfasst werden. Dazu zählen etwa Konzentrationsrisiken, ESG-Faktoren oder projektbezogene Klumpenrisiken. Der P2R beträgt bei vielen Instituten zwischen 1 % und 2,5 % auf das gesamte RWA-Volumen – in CET1-Qualität.

  • Pillar 2 Guidance (P2G): Eine zusätzliche Kapitalerwartung, die auf internen Stresstests basiert. Sie ist nicht rechtsverbindlich, wird von der Aufsicht aber genau beobachtet – insbesondere, wenn die Kapitalausstattung unter Druck steht.

Für Institute mit hoher Projektquote kann eine Anhebung dieser Zuschläge schnell den Handlungsspielraum einschränken – auch wenn bilanziell kein akuter Ausfall besteht. Die Folge: Engagements werden nicht mehr verlängert, neue Projekte nicht mehr angenommen.

Der stille Schaden: Kapitalbindung, Margenverlust und Demotivation

Was bedeutet das in der Praxis? Banken sitzen auf Engagements, die keinen Ertrag mehr liefern – weder laufende Zinsen noch Provisionen. Gleichzeitig müssen Marktmitarbeiter monatelang Auflagen erfüllen, Gutachten beibringen und Sonderreportings für Aufsicht und Interne Revision erstellen.

Das eigentliche Kerngeschäft – die Strukturierung neuer Finanzierungen – kommt zum Erliegen. Gute Mandate werden nicht mehr angenommen, selbst wenn die Projekte solide sind. Der Druck steigt nicht nur regulatorisch, sondern auch kulturell:
Teams, die seit Jahren keine Bonifikationen mehr sehen, verlieren Motivation und Know-how. Die besten Köpfe wandern ab – oft zu Debt Funds, Projektentwicklern oder alternativen Finanzierungsplattformen.

Unsere Lösung: Kreditrotation mit Struktur

Bei REVALPRIME vertreten wir seit langem die These: Projektkredite sind kein Fehler – aber sie müssen beweglich bleiben.

Die Weitergabe eines Engagements an eine andere Bank oder einen Spezialfinanzierer ist nicht nur legitim, sondern unter den aktuellen Rahmenbedingungen sogar ökonomisch sinnvoll. Man könnte sagen: Es braucht ein neues Kreditkarussell. Und zwar ein durchdachtes.

Wie könnte das aussehen?

  • Identifikation rotierbarer Engagements: Projekte, bei denen Grundrisiken (z. B. Baurecht, GU-Vertrag, Vorverwertung) gelöst sind, aber Altfinanzierungen unter Druck stehen.

  • Strukturierter Übertrag: Übernahme durch eine neue Bank mit frischer Risikoanalyse, neuem Pricing und – wenn nötig – Equity-Rebasing.

  • Transparente Kommunikation: gegenüber Aufsicht, Projektpartnern und Kunden.

  • Professionelle Abwicklung: durch uns als unabhängiger Begleiter, inklusive Datenraum, Due Diligence und Verhandlung der Konditionen.

Der Effekt:

  • Die abgebende Bank gibt Eigenkapital frei und reduziert Risikoaufschläge.

  • Die aufnehmende Bank erhält ein Projekt mit gesicherter Basis und attraktiver Marge.

  • Das Projekt selbst wird weiterentwickelt statt liquidiert.

  • Der Markt bekommt wieder Bewegung – nicht Stillstand.

Fazit: Kapital soll wirken, nicht stagnieren

Die regulatorischen Anforderungen sind keine Einbahnstraße. Sie setzen Anreize – und wer sie versteht, kann sie strategisch nutzen. Projektentwicklungen müssen nicht in der Bilanz ersticken. Sie können weitergegeben, restrukturiert und neu bewertet werden. Dafür braucht es aber Mut zur Bewegung.

Wir begleiten diese Prozesse – nicht als Abwickler, sondern als Möglichmacher.
Denn gute Projekte verdienen eine zweite Chance. Und Banken verdienen die Freiheit, wieder Kredit zu vergeben.

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